Die Reise des Highlanders #19: Wiesenmeer

Kapitel 19

Ich erwache am nächsten Morgen, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die Baumwipfel hüpfen. Die Kälte der Nacht hängt noch schwer in der Luft und macht mir die Entscheidung zum Aufstehen nicht leicht. Grummelig stehe ich auf. Das kalte Gras sticht wie Nadeln in meine Sohlen. Ich erleichtere mich in den See und setze dann meine Reise fort. Bepackt mit meinem Schwert und dem Wollmantel begebe ich mich zum letzten Mal zum gefallenen Mammut. Ich suche den Boden nach dem Geldbeutel ab, den mir der Waldräuber vor ein paar Tagen gegeben hatte, kann ihn aber nicht finden. Schlecht gelaunt ziehe ich weiter. Auf dem Weg zum Waldrand sammle ich noch so viele Beeren, wie ich auftreiben kann. Ich begebe mich zu dem Ort, an dem ich auf die Wölfe traf und suche nach meinen Speeren.

Zwei sind noch brauchbar und ich nehme sie mit. Der Himmel ist klar und nur vereinzelt von Wolken durchzogen. Ich mache mich auf den Weg. Ich wandere den ganzen Tag immer in eine Richtung. Manchmal stehen kleine Gruppen von Baoubäumen im Wiesenmeer aber meistens nehme ich nichts als grüne Leere wahr. Den Durst kann ich an kleinen Wasserläufen stillen aber was Verpflegung angeht, hatte ich recht. Hier gibt es nichts, es sei denn, ich möchte zum Rind werden und Gras kauen. Als die Sonne kurz über dem Horizont steht, entscheide ich mich für heute genug gelaufen zu sein. Erschöpft begeb ich mich zur nahesten Baumansammlung.
Ich nehme Platz unter einem großen Baoubaum, dessen dichtes Blattwerk ein wenig Schutz vor der Witterung bietet. Mein Blick gleitet über die endlos erscheinende Wiesenebene. Ich müsste jetzt die Hälfte des Weges zur Handelsstraße hinter mir haben. Während ich ruhig dasitze, wird mein Körper allmählich von der trägen Schläfrigkeit erfasst, die jeder kennt, der schon mal einen ganzen Tag auf Wanderschaft verbracht hat. Aber noch kann ich meinen Muskeln keine Pause bieten. Mit der einsetzenden Dämmerung wird der Wind immer stärker und möchte mir noch eine Kuhle zu Schutz graben. Meine Hände stoßen wie Schaufeln in den weichen Boden und ich komme gut voran. Plötzlich ertaste ich einen harten Widerstand. Zuerst denke ich an einen Stein. Aber die Form passt nicht.

Ich grabe um das Objekt herum und fördere eine kleine verschlossene Holztruhe zutage. Das Eisenschloss ist verrostet und das Holz leicht modrig. Ich bin neugierig und verschaffe mir mit der Spitze meines Schwertes Zugang zum Truheninhalt. Es befindet sich nur ein Gegenstand darin. Eine Papierrolle, welche erstaunlicherweise überhaupt keine Zeichen von Altersverfall aufweist. Meine Instinkte warnen mich, dass hier Magie im Spiel sein muss. Vorsichtig nehme ich die Rolle aus der Truhe, entferne den Faden, der sie verschlossen hält, und entfalte sie auf dem sandigen Boden vor mir.

„Horche Ruheloser. Begehrst du zu erfahren den Weg deiner Begierde so berühre mich mit dem Kopf und denk an nichts anderes. Der Weg wird sich Offenbahren.“
Ich bin erstaunt. Es scheint sich um eine alte magische Karte zu handeln. Solche Artefakte spielen manchmal in alten Geschichten eine Rolle. Ich halte das Papier an meine Stirn und stelle mir die Bergspitzen des Geliosgebirges vor. Das Fundstück wird für einen kurzen Moment extrem heiß und ich werfe es vor Schreck von mir. Misstrauisch betrachte ich es aus der Ferne. Die Schrift verblasst und es bilden sich Abbildungen von Städten, Flüssen und Bergen. Mein Standpunkt befindet sich in der Mitte des Papieres. Eine gestrichelte Linie führt zu einem Bergmassiv, welches wahrscheinlich Gelios darstellt. Die Abbildungen sind nicht fest. Ich drehe mich mit der Karte und die Objekte bleiben immer in dieselbe Himmelsrichtung ausgerichtet, wie bei einem Kompass.

Mit diesem Glücksfund befinde ich mich endlich auf einem zielgerichteten Pfad. Ich grabe meine Kuhle zu Ende und rolle mich zufrieden in meinen Wollumhang.

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