Am Science Wednesday stelle ich unterschiedlich komplexe wissenschaftliche Beiträge vor.
Heute geht es im weitesten Sinne um Sozial- und Staatswissenschaft.
Ernst-Wolfgang Böckenförde hat im Jahre 1976 ein interessantes Problem aufgeworfen:
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“
Im zeitgeschichtlichen Zusammenhang ging es damals um den Einfluss der christlichen Kirche auf den säkularen Staat, verknüpft mit der Bitte diesem nicht ablehnend gegenüber aufzutreten. Interessanterweise wurde Böckenfördes Diktum in der geistlichen Gemeinde jedoch eher als Legitimation des eigenen moralischen Leitansatzes interpretiert.
Zu dieser Thematik kann man sich im folgenden Artikel weitergehend informieren:
Das Böckenförde-Dilemma
Für mich persönlich stellt sich aktuell die Frage, welche moralische Substanz Deutschland in Zukunft zusammenhalten soll. In den vergangenen Jahrzehnten fand eine Vermittlung von positiven säkularen Werten kaum statt. Von daher verwundern mich die momentanen hysterischen Zustände, in denen viele verschiedene Gruppierungen versuchen Ihre ureigenste Antwort auf das oben genannte Problem durchzusetzen, nicht im geringsten. Kann man in den modernen Zeiten überhaupt noch einen gemeinsamen Konsens formulieren? Ich habe hierzu noch keine Antwort parat.