Kapitel 15
Ich stehe einige Sekunden nur starr da. Mir ist völlig unklar, warum der Mammutbulle auf mich zuhält. Die Wölfe sind doch in die andere Richtung weggerannt. Das riesige Ungetüm kommt unaufhaltsam näher und ich verpasse mir selbst eine Ohrfeige, um meinen Körper aus der Starre zu holen. Ich werfe mein Schwert links von mir in Richtung eines Wacholderbusches und greife mir meine 4 verbliebenen Speere. Noch einmal tief durchatmen und konzentrieren. Fokus auf das Ziel. Ich stecke drei Speere neben mir in den Boden und stelle mich mit dem Vierten zum Wurf auf. Das Mammut ist jetzt noch ungefähr 200 Meter von mir entfernt. Ich warte drei lange Atemzüge, lasse dann den Speer mit voller Kraft durch die Luft sausen, greife sofort noch dem Zweiten und gehe wieder in Ausgangsposition.
Mein erster Wurf war verfrüht und so verschwindet der angespitzte Stock gute 20 Meter vor dem Mammut im hohen Gras. Ich konzentriere mich aber schon auf den nächsten Angriff und lege meine ganze Körperspannung in den Wurf. Die Flugbahn ist gut und das Mammut wird an der Stirn getroffen. Aber meine improvisierte Waffe kann auf diese Entfernung wie es scheint nicht genug Durchschlagskraft entwickeln. Der Speer prallt vom Schädel der Bestie einfach ab. Bevor mich schwindender Mut erfassen kann, schleudere ich schon das dritte Geschoss in Richtung der anstürmenden Fellwand und greife nach dem letzten Speer.
Schnell stelle ich mich wieder zum Wurf auf nur, um mit anzusehen, wie auch mein dritter Angriff wirkungslos verpufft. Ich bekomme auch keine Chance mehr auf einen Vierten. Der Bulle ist schon viel zu nah. Ich lasse den Speer fallen und springe mit voller Kraft nach Links aus der Laufbahn des Mammuts, welches in seinem Ansturm einen der beiden kleinen Bäume entwurzelt, welche ich noch vor Kurzem als taktischen Vorteil gegen die Wölfe nutzen konnte. Ich entkomme nur knapp einem Schicksal als breiige rotbraune Masse. Ich rappele mich mehr stolpernd als gekonnt auf und hechte nach meinem Schwert, während hinter mir ein ohrenbetäubendes wütendes Trompeten erklingt.
Noch während ich die Klinge ergreife, drehe ich mich in Richtung des Mammuts um, in fester Erwartung eines erneuten Angriffs. Dieser bleibt jedoch fürs Erste aus. Der wütende Mammutbulle trampelt völlig rasend auf dem dort liegenden Wolfsleichnam herum. Verdutzt und erschüttert schaue ich dem Schauspiel zu. Der Bulle weist an seinem massigen Körper mehrere frische Wunden auf, die definitiv nicht von meinen kläglichen Speerattacken herrühren können. Mir dämmert, dass ich von Anfang an gar nicht das Ziel des Mammutangriffs war. Möglichweise hatte das Wolfsrudel den Bullen beim Schlafen überrascht aber war nicht in der Lage ihn zu töten. Im Volksmund gelten Wollmammuts als äußerst nachtragend. Vor mir sehe ich offensichtlich den unverhofften Beweis dieses Charakterzuges.
Ich stehe langsam auf und entferne mich ruhig im Rückwärtsgang von dem stampfenden Muskelberg, in der Hoffnung nicht auf seiner Racheliste gelandet zu sein. Der Bulle hat jetzt offensichtlich genug auf seinem Opfer rumgetrampelt und stößt ein noch lauteres Triumphgeheul als zuvor aus, wobei er sich auch kurzzeitig auf seinen Hinterbeinen aufstellt. Meine Hoffnung den Ort ohne weitere Behelligungen verlassen zu können wird jedoch leider zerschlagen. Wütend fixiert mich das Wollmammut schon, während seine Vorderbeine noch mit Wucht wieder auf den Boden krachen. Meine Speerattacken wurden anscheinend nicht besonders positiv aufgenommen.
Ich atme leicht enttäuscht aus und lasse kurz meine Schultern hängen. Es wird wohl Zeit über mich hinauszuwachsen.