Kapitel 16
Meine Atmung geht extrem schnell und ich nähere mich dem menschlichen Kraftlimit. Endlich kommt mein Ziel in Sicht. Ein junger Tarpaubaum. Tarpaubäume besitzen keine Äste wie viele andere Bäume. Aus einem massiven festen Stamm entspringen in der Krone viele dünne, elastische Stränge besetzt mit kleinen dunkelgrünen Blättern. Die Stränge wachsen im Laufe der Zeit durch ihr Eigengewicht bis zum Boden. Das Aussehen von Tarpaubäumen ist den Weidenbäumen nicht unähnlich. In Pergutar haben wir die Tarpaustränge zum Fallenbau verwendet. Sie sind schwer zu brechen eignen sich sehr gut um Bewegungen von Beutetieren zu einzuschränken. Ich schätze das Alter des Baumes vor mir auf ungefähr 10 Jahre. Die Stränge reichen nicht bis zum Boden, sondern enden ungefähr auf halber Höhe des Stammes.
Ich komme kurz vor dem Tarpaubaum zum Stehen und drehe mich schwer atmend um. Der Mammutbulle umquert gerade eine weitere massive Eiche und blickt mich mit wuterfüllten Augen an. Ich bin zwar völlig außer Atem aber mein Geist ist wieder standhaft und klar. Wir Highlander aus Pergutar sind bekannt für unsere Stärke und Ausdauer im Kampf. Natürlich besitzen wir exzellent trainierte Körper durch das raue Leben in den Hügeln. Aber dieser Umstand allein ist noch keine Besonderheit. Im Laufe der Geschichte hat unser Volk eine Methode entwickelt innere Kräfte freizusetzen, die über das normale menschliche Maß hinausgehen.
Ich höre nur mein Blut und den Herzschlag. Mein Willen greift danach und drückt fest zu, so als ob er es stoppen will. Ich spüre einen Widerstand. Diesen muss ich jetzt durchbrechen. Es ist wie das geräuschlose Zerbrechen einer Burgmauer, als ich in den zweiten Winddämon eintrete. Die Zeit scheint für einen Moment stillzustehen. Ich lasse das Herz los und ich werde sofort mit zügelloser Energie durchströmt. Mein Geist ist jetzt so wach, dass ich alles extrem verlangsamt wahrnehme. Das Mammut holt gerade mit seinem riesigen Rüssel aus wie bei einem Peitschenschlag. Ich rolle mich knapp darunter hinweg und spüre den wilden Luftzug der Bewegung. Der Blick des Mammuts folgt meiner Ausweichbewegung, aber der massige Körper strebt weiter vorwärts mit voller Wucht in den Tarpaubaum.
Mein Ziel ist der Bauch der Kreatur. Voller Rage steche ich unzählige Male in den zuckenden Leib, mit der Absicht das Herz des Bullen zu durchbohren. Die Schmerzenslaute des Ungetüms blende ich aus, während ich meine Arbeit verrichte und stoppe, erst als sich kein Muskel der Kreatur mehr rührt. In der ganzen Umgebung ist kein Geräusch, außer mein Atmen zu vernehmen. Der Bulle ist Tod. Ich spreche ein kurzes Gedicht, um meinem Gegner Respekt zu erweisen, und entferne mich von dem Ort des Kampfes. Meine blutverschmierte Kutte lasse ich zurück.
Es wird nicht mehr lange dauern, bevor ich erschöpft zusammenbreche. Bald schon werden hungrige Tiere hier auftauchen und sich über den Leichnam hermachen. Und ich will nicht als hilflose Nachspeise enden. Ich laufe auf dem Weg wieder in den Wald hinein, aus dem ich ursprünglich gekommen war. Ich hatte nämlich ein Sumpfgebiet am Rand passiert, welches ich jetzt gebrauchen kann. Ich erreiche den Sumpf nach einer viertel Stunde. Mein Schwert verstecke ich unter einem Laubhaufen und grabe mich in den Schlamm ein, bis nur noch mein Kopf herausschaut. So dürfte ich für Jäger keine wahrnehmbare Witterung zulassen. Kurze Zeit später lässt auch wie erwartet die Wirkung des Winddämons nach und ich sacke erschöpft zusammen und schlafe ein.