Selbst als politisch interessiertem Menschen passiert es zuweilen, dass man wichtige historische Ereignisse nicht im Blick hat. In diesem Falle das Ende des Zweiten Weltkrieges. Deutschland hatte in der Nacht zum siebten Mai 1945 gegenüber den Alliierten kapituliert. Aus protokollarischen Gründen tat es das in der Nacht zum neunten noch einmal gegenüber der Sowjetunion. Darum liegt der „Tag des Sieges“, ein früher sowjetischer und jetzt russischer Feiertag, am 9. Mai. Heute.
Ich erwähnte einmal, dass das sowjetische Ehrenmal im Treptower Park mein Lieblingsort in Berlin ist. Glücklicherweise arbeite ich sogar in der Nähe und parke jeden Morgen auf dem Hafenparkplatz, der gleich nebenan gelegen ist. Gut gelaunt fuhr ich demnach zur Arbeit und erwartete keinerlei Abweichungen zum üblichen Tagesablauf. Auf der Puschkinallee kurz vor meinem Ziel entdeckte ich plötzlich mehrere Polizeiwagen am Eingang zum Ehrenmal. Zuerst dachte ich kurz an eine übliche Verkehrskontrolle (Macht die Polizei dort gern mal) aber beim einbiegen auf den Parkplatz wurde mir die Bedeutung des Tages schlagartig bewusst. Er war komplett belegt. An jedem anderen Tag im Jahr findet man hier bis zum frühen Nachmittag immer einen sonnigen Stellplatz. Aber am 9 Mai pilgern viele zur Gedenkstätte und es finden feierliche Kranzniederlegungen statt.
Mein Gefühl dazu? Ich war ein genervt. Denn die Parkplatzsituation rund um meinen Arbeitsplatz ist nur als suboptimal zu betrachten. Zwar gibt es eine Tiefgarage, aber die Gebühren sind dort so hoch, dass sie immer leer ist. Also runter vom Parkplatz und eine Alternative suchen. Zum Glück hatte ich erst vor 2 Wochen von einem Kollegen einem Geheimtipp erfahren, der tatsächlich funktionierte. Meine Laune war wieder hergestellt.
Mittags trieb mich dann der Hunger wieder aus dem kühlen Büro in die sengende Maihitze des Hochs QUINIAN. Kurze Zeit später stand ich an einer Fressbude Ecke Puschkinallee/Elsenstraße und bestellte Chickendöner. Während des Wartens schweifte mein Blick über die Straßenidylle und führte zum zweiten Berührungspunkt mit dem Tag des Sieges. Die Elsenstraße wurde Richtung S-Bahnhof Ostkreuz zuerst von Streifenwagen und später von Motorradpolizisten abgesperrt. Taxis und Motorräder versuchten sich trotzdem über die Busspur durchzuschmuggeln, wurden aber barsch von der Ordnungsmacht zurechtgewiesen. Nach kurzer Zeit legte sich ein Hupkonzert über die Szenerie, da weiter hinten stehende Verkehrsteilnehmer nicht wussten, warum es nicht voranging. Ich an deren Stelle wäre auch völlig abgenervt gewesen. Weitere fünf Minuten später kamen sie dann vorbeigerauscht. Die Nachtwölfe. Ein russischer Rockerclub, welcher seit einigen Jahren jedes Jahr zum Tag des Sieges nach Berlin pilgert um an verschieden Ehrenplätzen die erwähnten Kränze niederzulegen. Schön das die Herrschaften nicht in uniformierter Einheitstracht unterwegs waren und somit ein durchaus sehenswertes Schauspiel aus Farbe, Form und Ton darboten. Fahnen schwenkend zog die Truppe an den spontanen Zuschauern vorbei und nach zwei weiteren Minuten wurde die Straße wieder freigegeben. Jetzt war auch mein Döner fertig und ließ ihn mir schmecken.
Zur Dokumentation hier ein paar Schnappschüsse von dem Ereignis.